Industrie ist aus der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken. Irgendwo müssen die Fabriken mit ihren Schornsteinen fleißig in die Luft atmen, oder nicht? Genau wie Industrie hat aber auch die Landwirtschaft ihre Daseinsberechtigung und gilt als besonders schützenswert.
Das Industriegebiet läuft den Vorgaben der Regionalplanung sowie den bundesrechtlichen raumordnerischen Vorgaben des Raumordnungsgesetzes in Gänze zuwider. Der Regionalplan sieht für unsere Region eine landwirtschaftliche Prägung vor. Seit Jahrhunderten kann man daher den Landwirten hier bei der Ernte zuschauen.
Unsere Bauern ernähren uns und dafür können wir gar nicht genug Danke sagen. Auf bestem Ackerland (Bodenwerten stellenweise bis zu 92/100 und im Durchschnitt über 85) „fabriziert“ man hier wirklich wichtiges: Nahrungsmittel! Landwirtschaft prägt die Region und funktioniert. Wir sagen: Sich für den Erhalt der Landwirtschaft einzusetzen, ist richtig!
Landwirtschaft in Krisenzeiten
Unsere Zeit ist von Krisen geprägt, vor allem jetzt wo wir hautnah, jeder einzelne von uns, spüren wie wichtig die Versorgungssicherheit im eigenen Land ist. Und gerade in dieser krisenbehafteten Zeit wollen die Planer des Industrievorsorgegebietes in Wiedemar 480 ha bestes Ackerland versiegeln und unseren Landwirten, Teil unserer Gemeinde und auch unsere Nachbarn sind, die Existenzgrundlage nehmen?
In Deutschland herrscht auch außerhalb von Krisenzeiten eine deutliche Unterversorgung mit Gemüse. Wir müssen 5,4 Millionen Tonnen Gemüse importieren (ganz nebenbei: Import bedeutet auch Staub, Lärm und Abgase). Wie soll es dann in einem Krisenfall aussehen? Die für das Industriegebiet vorgesehen Fläche könnte in einem Krisenfall über 130.000 Menschen1 direkt in der Umgebung mit Gemüse versorgen, das sind fast 70% der Bevölkerung im Landkreis Nordsachsen!, das ist Pohritzsch, Zschernitz, Delitzsch, das sind wir!
Vorrang für Industrie trotz Versorgungskrise?
Und was ist denn mit anderen Grundnahrungsmitteln wie Brot, Nudeln und Co.? Wir haben gerade gesehen, was passiert, wenn nur ein Glied unserer Versorgungskette ausfällt, schon explodieren die Preise. Das macht vielleicht den oberen 10.000 nicht so viel aus, aber Kinder, deren Eltern heute schon jeden Cent umdrehen müssen, werden bei dieser Entwicklung bald nicht mehr viel auf dem Teller haben – außer vielleicht die Computer-Chips, die in Wiedemar hergestellt werden könnten.
Und was wäre, wenn es doch keine Hochtechnologie ist, sondern eine Industrie mit wesentlich weitreichenderen Folgen bei einem Störfall (lesen Sie hier mehr zum Thema Störfallproblematik). So ein Störfall kann je nach Branche auch alle umliegenden Felder mitsamt bevorstehender Ernte in Sekundenschnelle unbrauchbar machen. Aber was soll’s. In wenigen Jahren sind umgebene Flächen sowieso bereits mit Zuliefer-Betrieben zubetoniert. Die Produkte können sich schließlich noch nicht selbst zum Bestimmungsort teleportieren…
[1] Berechnungsweg: Erntemenge Gemüse in Deutschland 4.057.048.000 kg / verwendete Anbauflächen 130.549 ha x Industriegebiet Wiedemar 485 ha / Pro-Kopf-Verbrauch an Gemüse in Deutschland 109 kg